Schilddrüsenhormone
spielen eine entscheidende Rolle für
Stoffwechsel, Wachstum und
Differenzierung. Als pleiotrope Hormone
beeinflussen sie daher fast jeden
Gewebetypen. Eine exakte und
bedarfsgerechte Regulation ihres Haushalts
ist daher für die meisten Vertebraten
unentbehrlich. Obwohl die Prinzipien des
thyreotropen Regelkreises bereits vor
Jahrzehnten beschrieben wurden, haben wir
bis heute immer noch keine vollständige
Einsicht in seine Dynamik erlangen können.
Kürzlich
konnten allerdings entscheidende
Fortschritte durch die mathematische
Modellierung der Schilddrüsen-Homöostase
erreicht werden. Aufgrund der nichtlinearen
Natur der Wechselwirkungen vermögen diese
kybernetischen Modelle allerdings nicht
zugleich das statische und dynamische
Verhalten des Regelkreises zu beschreiben.
Diese Lücke kann durch Rechnersimulationen
gefüllt werden. Darüber hinaus ebnen die
simulativen Ansätze den Weg für ein
intuitiveres Verständnis der Dynamik des
Hypophysen-Schilddrüsen-Regelkreises.
SimThyr ist ein
interaktives Simulationsprogramm
des thyreotropen Regelkreises,
das es erlaubt, die Beziehung
zwischen Struktur und Verhalten
der Schilddrüsen-Homöpstase, d.
h. zwischen der Architektur des
Wirkungsgefüges und den sich
ergebenden Hormonspiegeln zu
untersuchen. Das Programm ist
dafür gedacht, sowohl die
Forschung als auch die
Ausbildung in der Thyreologie zu
unterstützen.
SimThyr baut auf einem
parametrisch isomorphen Modell
des Gesamtsystems auf. Es kann
daher als Brücke zwischen der
Molekularbiologie und der
umfassenden Dynamik des Regelkreises auf
der Ebene des Gesamtorganismus
dienen. Anwendungen von SimThyr
erstrecken sich auf die
Forschung, insbesondere für die
Entwicklung von Hypothesen, und
die Lehre
von Studierenden der Biologie
und Medizin, die Ausbildung für
Gesundheits- und
Krankenpflegeberufe sowie den
Patientenunterricht.
In der Forschung konnte mit Hilfe
von SimThyr eine neue Hypothese über die Entstehung
der pulsatilen TSH-Sekretion
untermauert werden. Darüber hinaus lieferte
das Programm entscheidende Hinweise, dass eine
zentrale Hyperdejodierung auch beim
Menschen zum Low-T3-Syndrom führt und
dass es offensichtlich epigenetische Wirkungen
der Schilddrüsen-Stoffwechsellage auf die
zentrale Homöostase gibt. Weitere
Forschungsprojekte untersuchten mit SimThyr
die Auswirkung von bestimmten
Strukturparametern des Regelkreises auf die
Qualität
der Diagnostik von
Schilddrüsenerkrankugnen. Darüber
hinaus wird die Software von immer mehr
Einrichtungen für Ausbildungszwecke
verwendet.
Die Algorithmen, welche dieser
kontinuierlichen Simulation zugrundeliegen,
wurden in mehreren Publikationen
veröffentlicht. Obwohl sie auch die
klassische mathematische Modellierung der
beteiligten Regelkreise ermöglichen, vermittelt
ihre Anwendung in Rechnersimulationen
allerdings ein tieferes und intuitieres
Verständnis für die zeitliche Dynamik der
Schilddrüsenhomöostase.
Im Laufe der vergangenen Jahre hat
SimThyr mehrere Zertifikate
und Preise erhalten.
SimThyr ist freie und offene
Software, die auf der Grundlage einer
BSD-Lizenz zur Verfügung steht. Ausführbare
Programme sind verfügbar für macOS und Windows, Quellcode
kann mit THINK Pascal (für Mac OS Classic)
oder Lazarus/Free Pascal (für Mac OS X,
Windows und Linux) übersetzt werden.